Back on track!
Die isb-online.org-Redaktion führte anlässlich des Jahreswechsels ein ausführliches Interview mit ISB-Vorstand Sebastian Bauer und der besonderen Vertreterin Dr. Annegret Schlund. Gemeinsam bilden sie die Geschäftsführung und blicken auf das Jahr 2023 zurück.
Zum Einstieg möchten wir traditionell auch in diesem Jahr nach der Schlagzeile für das abgelaufene Jahr fragen.
Dr. Annegret Schlund: Für mich persönlich stand das letzte Jahr unter dem Aspekt des Kennenlernens und Eingewöhnens. Ich konnte bereits im Frühjahr erste Erfahrungen im ISB sammeln und dann im Herbst richtig mit einsteigen. Seitdem habe ich viel gelernt.
Sebastian Bauer: Nach all den pandemiebedingten Einschränkungen in den vorangegangenen Jahren, aber auch nach dem erkrankungsbedingten Ausscheiden meiner Kollegin im Vorstand Kristina Unsleber, was einen harten Einschnitt für unser Wirken bedeutet hat, möchte ich sportlich resümieren: „We‘re back on track!“ Wir dürfen stolz darauf sein, dass unser Verein in den 16 Jahren nach Gründung eine solche Widerstandsfähigkeit entwickelt hat.
Welche sind Ihre persönlichen Highlights aus dem Jahr 2023?
Sebastian Bauer: Im März erbrachten die Neuwahlen einen noch weiblicheren und noch mehr an unseren Anspruchsgruppen orientierten Aufsichtsrat, zum ersten Mal ist auch die Gruppe der Eltern unserer Programmkinder vertreten. Diese Teilhabe gilt es in den kommenden Jahren noch stärker zu institutionalisieren. Und dann gelang es dem Verein, mit Dr. Annegret Schlund eine Kollegin als Fachliche Leitung in die Geschäftsführung zu berufen, die nicht besser zu uns passen könnte. Unser Haus ist damit auch weiterhin in die Lage versetzt, überregional hohe Aufmerksamkeit zu erregen: Eine große Partei suchte unseren Rat für ihr Grundsatzprogramm in Fragen zu Freiwilligen- und Pflichtdiensten und die ARD bat gleich zweimal um Auftritte in ihren Formaten – all dies ist unseren Publikationen geschuldet, die wir regelmäßig erarbeiten.
Dr. Annegret Schlund: Und Mitarbeitende erarbeiteten auch wieder interessante Bachelorarbeiten. Diese wurden zu den Themen „Auswirkungen der Professionalisierung auf partizipative Prozesse in der Jugendarbeit von Sportvereinen“ sowie „Employer Branding – Status Quo und Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität“ ausgearbeitet und teilweise sehr gut durch unsere Partnerhochschulen bewertet. Die darin enthaltenen Erkenntnisse helfen auch der Weiterentwicklung unseres Vereins.
Weisen diese personalpolitischen Themenstellungen auf die aktuell größte Herausforderung hin? Was unternimmt der Verein im täglichen Geschäft?
Dr. Annegret Schlund: Der Fachkräftemangel in Deutschland ist langsam auch beim ISB spürbar. Vor allem in den regionalen Programmen können wir zukünftig weiterhin Unterstützung gebrauchen. Zumal das Interesse an den Angeboten des ISB in allen Bereichen weiter steigt. Mit mehr Fachkräften könnten wir noch mehr Bewegungsangebote zu den hunderten von Menschen in Schweinfurt und Umgebung bringen und weiterhin verlässlicher Bildungspartner in der Region sein.
Sebastian Bauer: Gemeinsam mit unserem Betriebsrat erarbeiten wir laufend Verbesserungen für ein gutes Miteinander bei und auch neben der Arbeit. So haben wir das Jahr genutzt, um unter Zuhilfenahme unserer Tochtergesellschaft idealista endlich ein Wohnheim zu errichten; wir sind zuversichtlich, dass im neuen Jahr die ersten jungen Mitwirkenden dort wohnen können. Außerdem schärfen wir mit professioneller Unterstützung unseren Wertekanon. Wir möchten noch mehr Klarheit schaffen, wofür der Verein und die beteiligten Menschen stehen. Das zeigt sich auch in der erfolgreichen Rezertifizierung mit dem Quifd-Siegel für Qualität in Freiwilligendiensten, die nicht unerheblich zur Kultur unseres Zusammenarbeitens beiträgt. Und auch unsere internationale Ausrichtung ist Teil unserer Identität: Die Europäische Kommission fördert nach dem erfolgreichen Abschluss unserer Programmskalierung „European Youth United in Sport“ ein Follow-Up-Programm unserer Tochtergesellschaft idealista mit einer sechsstelligen Summe, an dem erneut Vereine aus Ungarn, Norwegen und Österreich teilnehmen.
Professionalisierung, Employer-Branding, Zertifizierung, internationale Skalierung – ist das überhaupt noch Jugendarbeit? Es gibt Stimmen, die das bestreiten.
Sebastian Bauer: Wir reden von sozialer Wirkung in den 20er-Jahren des aktuellen Jahrhunderts. Wer dem Erscheinungsbild von Jugendarbeit eher aus jenen des letzten Jahrhunderts nacheifert oder -trauert, wird sicherlich keinen Zugang zu unserem Ansatz oder unserer Wortwahl finden; in unseren Augen spiegelt sich eben nicht das Flackern des Lagerfeuers wider und unser Verein ist auch mit stabilen Umsätzen im gemeinnützigen Zweckbetrieb prosperierender aufgestellt, als diejenigen Organisationen, die zum Jahresende um Spenden bitten, um wirtschaftlich überleben zu können. Und dennoch erwidern wir: Unsere Mitgliederzahlen steigen auf ein neues Rekordhoch von 330, gerade dank der Kinder und Jugendlichen. Wir haben die wohl höchste Quote an Teilhabe an unseren demokratischen Jugendstrukturen in Schweinfurt, Fachleute nennen dieses konstitutive Merkmal der Jugendarbeit „Partizipation“. In unseren Jugendgremien werden nicht nur Vertreter gewählt, die Mitbestimmung ausüben, sondern es wird auch über den Einsatz unserer Mittel entschieden.
Veralteten Strukturen nachtrauern - Sie sprechen die Akteure im Stadtjugendring an?
Sebastian Bauer: Dass man sich dort öffentlich dafür feiert, unserem Haus Förderung erfolgreich verwehrt zu haben, grenzt nicht nur an eine krasse Verfehlung des gesetzlichen Auftrags, sondern ist auch mit Blick darauf, dass sie die öffentliche Hand darstellen, völlig unreif, unwürdig und auch abschätzig: bei aller Kritik an Professionalisierungstendenzen in unserem Haus darf man nicht übersehen, dass sich bei uns über 20 zumeist junge Menschen nach wie vor ehrenamtlich engagieren, was im Übrigen deutlich mehr Menschen sind, als manche der wortführenden Organisationen im Stadtjugendring überhaupt an Mitgliedern aufweisen können. Und nachdem man im Stadtjugendring Wertschätzung für unsere engagierten inzwischen offenbar völlig aus den Augen verloren hat, möchte ich umso lautstärker für das wertige ehrenamtliche Engagement nicht nur zum Wohle unseres Vereins, sondern auch der Gesellschaft danken.
Zum Abschluss: Was sind Ihre Pläne und Wünsche für das Jahr 2024?
Dr. Annegret Schlund: Ich wünsche mir für das neue Jahr, dass das Team des ISB weiterhin gut besetzt ist, dass der Zusammenhalt im Team weiterhin so stark ist und dass wir auf diesem Weg alle Hürden, die sich 2024 stellen mögen, gemeinsam meistern.
Sebastian Bauer: Den Wünschen schließe ich mich uneingeschränkt an. Vielleicht kann sich das European Solidarity Corps und unser Wohnheim als Schlüssel erweisen, noch mehr Engagement nach Schweinfurt zu holen um Stabilität erhalten und noch mehr Wirkung entfalten zu können.
Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.